Tsingtau 1897-1914

Qingdao (Tsingtau) heute

Ansicht der Stadt Tsingtau

Qingdao, das die Deutschen Tsingtau nannten, liegt an der Bucht von Jiaozhou (Kiautschou) in der nord-chinesischen Provinz Shandong (Schantung). Die Stadt zählt heute 2,3 Millionen Einwohner; im Einzugsgebiet leben etwa 7 Millionen Menschen. Qingdao erlebt seit dem Beginn der wirtschaftlichen Liberalisierung Chinas vor 20 Jahren eine rasante Entwicklung, die sich eindrucksvoll in modernen Hochhäuser am Rande des historischen Stadtkerns sowie in neuen Wohn-, Geschäfts- und Tourismuszonen zeigt. Die Architektur des Stadtzentrums wird maßgeblich durch deutsche Kolonialbauten gekennzeichnet. Qingdaos Wirtschaft ist durch industrielle Produktion, Hightech-Unternehmen, Handel und Tourismus geprägt. Der Hafen ist einer der bedeutendsten des Landes. Die wichtigsten Handelspartner kommen aus den asiatischen Nachbarsstaaten; unter den europäischen Investoren liegen die deutschen an erster Stelle. Das deutsche Bauerbe Qingdaos wird geschützt. Künstler uns Wissenschaftler der Stadt setzen sich mit der deutschen Vergangenheit Qingdaos auseinander.

Die Kiautschou Bucht als Teil des deutschen Kolonialreichs

Das Deutsche Reich beteiligte sich im Zeitalter des Imperialismus - später als andere - an der Aufteilung der Erde in Interessengebiete. Die Kolonien des Deutschen Reiches lagen in Afrika und im Pazifik. Zur Mitte und Handelsgesellschaften in außereuropäischen Gebieten unter Reichsschutz gestellt. Dadurch sollten sowohl lokale Konflikte als auch Zugriffe anderer Kolonialmächte verhindert werden. Kurze Zeit später standen diese Gebiete unter deutscher Souveränität: Südwestafrika (heute Namibia), Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika (heute Tansania), vorübergehend auch Sansibar, auf Neu-Guinea das "Kaiser-Wilhelmsland" und im Pazifik das Bismark-Archipel sowie weitere Inseln. Am Jahrhundertende wollte das Deutsche Reich als europäische Macht an den weltpolitischen Entwicklungen mitwirken. Um sich einen "gleichberechtigten Platz an der Sonne" zu sichern, wurde Kaiser Wilhelm II. auch in der Kolonialpolitik aktiv. Die Besetzung der Bucht von Kiautschou in China (1897) und die Angliederung weiterer Pazifikinseln waren Ausdruck seiner neuen Weltpolitik.

Die imperialistischen Staaten in China

Die Außenpolitik der Weltmächte war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch einen "Wettlauf" um die Sicherung wirtschaftlicher, politischer und kultureller Einflußzonen gekennzeichnet. Mit militärischer Macht und ohne Rücksicht auf die einheimischen Bevölkerungen wurden Hafenstädte genommen, um sie als Handels- oder Marinebasen zu entwickeln und von dort aus Regionen unter direkte oder indirekte Kontrolle zu bringen. Dies führte zur Ausbildung großer Kolonialreiche. In China setzte Großbritannien ab 1840 als erste Macht seine Handelsintressen durch. Frankreich, Rußland, die USA, Japan, Deutschland und andere folgten. Das militärtechnische unterlegene China wurde in den folgenden Jahrzehnten gezwungen, mit mehr als 20 Staaten "ungleiche Verträge" abzuschließen. Den fremden Mächten wurden chinesische Gewässer und Häfen zugänglich gemacht. In einigen Städten errichtete man ausländische Wohn- und Handelsniederlassungen, andere Städte standen ganz unter ausländischer Kontrolle. Ausländische Missionare erhielten weitgehend uneingeschränkte Bestätigungsmöglichkeiten. Am Ende des Jahrhunderts gingen die fremden Mächte dazu über, sich Pachtgebiete in China anzueignen. Das Deutsche Reich, das sich lange um einen Stützpunkt in Ostasien bemüht hatte, zwang China am 6.März 1898 im Vertrag von Peking zu Abtretung der Bucht von Jiaozhou (Kiautschou) auf 99 Jahre. Großbritannien, Rußland und Frankreich setzten Pachtgebietswerbung unmittelbar danach durch.

Erster Opiumkrieg

China war zur Zeit der Qing-Dynastie (1644-1911), insbesondere im 18. Jahrhundert ein Land hoher kultureller Leistungen. Militärtechnisch war es den Europäern unterlegen und im Innern durch Krisen gekennzeichnet. Bevölkerungsexplosion, Versorgungsprobleme, Naturkatastrophen und hohe Steuerbelastung führten immer wieder zu Widerständen und Unruhen, wie dem Taiping-Austand (1850-1864), der von etwa 100 Mio. Menschen getragen wurde.
Es waren vor allem britische Händeler, die in China einen lukrativen Opiumhandel betrieben, den die chinesische Regierung unterband. Daraufhin entsandten die britische Regierung Kriegsschiffe, die zuerst die Hafenstadt Guangzhou (Kanton) blockierten und dann die Küstenbefestigung von See aus beschossen. Dieser "Erster Opiumkrieg" (1840-1842) endete zugunsten Großbritanniens mit dem ersten "ungleichen" Vertrag, der in Nanjing (Nanking) geschlossen wurde. China mußte Häfen für für den internationalen Handel zugänglich machen, ein fremdes Zollsystem akzeptieren, den Ausländern eigene Rechte genehmigen und hohe Entschädigungssummen zahlen. Die Insel Hongkong wurde britische Kronkolonie. Andere Staaten setzten gegenüber China ähnliche Handelsvorteile durch.

Zweiter Opiumkrieg

Zur Durchsetzung weiterer Handelsintressen gingen im "Zweiten Opiumkrieg" (1857-1860) britische und nun auch französische Truppen gegen chinesische Hafenstädte vor. Als China sich nicht allen Forderungen der Westmächte beugen wollte, marschierten diese in Peking ein und zerstörten den kaiserlichen Sommerpalast. Rußland und die USA deckten das britisch-französische Vorgehen. China wurde gezwungen, weitere Häfen dem Westhandel zu öffnen, den christlichen Missionen weitgehende Handlungsfreiheiten zu gewähren und Diplomaten in der Hauptstadt zu dulden.
Die junge Hegemonialmacht Japan drängte den chinesischen Einfluß am Gelben Meer zurück. Trotz großer Bemühung Chinas, seine Landesverteidigung zu verbessern, zeigte sich im japanisch-chinesischen Krieg von 1894-95, daß auch Japan militärtechnisch unterlegen war. Es verlor seinen Einfluß in Korea, das zehn Jahre später japanische Kolonie wurde. Taiwan wurde es sofort. Eine dauerhafte Beziehung der strategischen bedeutsamen Hafenstadt Port Arthur und ihrer Umgebung durch Japan scheiterte am massiven Einspruch Frankreichs, Rußlands und des Deutschen Reiches.
Kurz nach dem "Zweiten Opiumkrieg" im Jahre 1861 setzte eine preußische Gesandtschaft die gleichen Handelsvorteile für den Deutschen Zollverein, die beiden Mecklenburgs und die Hansestädte durch [Vertrag von Tianjin (Tientsin)], die China bereits zuvor anderen Staaten hatte gewähren müssen. Wenige Jahre später wurden deutsche Schiffe in ostasiatischen Gewässern stationiert.
Der deutsche Geograph und Chinaforscher Ferdinand Freiherr von Richthofen beschrieb die Gunstfaktoren der Provinz Shandong (Schantung) und der Bucht von Jiaozhou (Kiautschou) als gute Vorraussetzung für die Anlage einer deutschen Hafenstadt und die Erschließung des Hinterlandes zur wirtschaftlichen Belebung einer möglichen deutschen Kolonie.
Nachdem Alfred Tirpitz als Chef des in Ostasien stationierten Kreuzgeschwaders 1896 die vom chinesischen Militär kontrollierte Bucht besucht und sie als Standort für eine deutsche Kolonie geeignet befunden hatte, wurden im Deutschen Reich Pläne zur militärischen Besetzung der Bucht ausgearbeitet.

Die Besetzung der Bucht von Jiaozhou (Kiautschou) erfolgte Mitte November 1897. Als Vorwand diente die Ermordung zweier katholischer Missionare im Süden der Provinz Shandong (Schantung). Die chinesischen Reaktionen reichten von heftiger Empörung und Warnungen vor militärischen Auseinandersetzungen mit deutschen Einheiten bis zur Ansicht, Deutschland an der Jiaozhou-Bucht als Gegengewicht zu Rußland im Norden und Großbritannien im Süden dulden zu sollen.
Deutsche Diplomaten setzten die chinesische Regierung unter Druck, um deren Zustimmung zur pachtweisen Abtretung der Bucht von Jiaozhou zu erhalten. Am 6.März 1898 wurde in Peking der "ungleiche" deutsch-chinesische Pachtvertrag auf 99 Jahre unterzeichnet. Das 500 qkm große Gebiet um die Jiaozhou-Bucht wurde als Schutzgebiet dem Reichsmarineamt unterstellt und fortan von Gouverneuren geleitet, die für die militärische und zivile Verwaltung zuständig waren.

Das Jahr 1898

Das Jahr 1898 markierte einen Höhepunkt in der Zeit des weltweiten Imperialismus. Das Deutsche Reich hatte im März 1898 die Abtretung eines chinesischen Trritoriums als Pachtgebiet durchgesetzt. Kurz darauf zwang Rußland China zur Abtretung der Liaodong-(Liaotung) Halbinsel am Gelben Meermit der Hafenstadt Port Arthur. Großbritannien sicherte sich die an Hongkong bzw. Kowloon grenzenden New Territories. Außerdem wurde Weihaiwei in der Provinz Shandong (Schantung) britisch. In Südchina trotze Frankreich der chinesischen regierung Guangzhouwan ab; China mußte darüber hinaus japanische Intressen an der Küstenprovinz Fujian (Fukien), gegenüber Taiwan gelegen, anerkennen. China reagierte auf die Bedrohungen an der Kolonialmächte mit Reformen. Allerdings beendete die Kaiserinwitwe Cixi, die eigentliche Machthaberin, die Modernisierungsversuche ihres Neffen, des chinesischen Kaisers, bereits nach einhundert Tagen.